P: Wo bin ich? Mama, bist du das? Ach du meine Güte, bin ich etwa tot? Bin ich im Himmel?
M: Himmel? Ha! siehst du hier etwa Wölkchen herumschweben? Wir sind in der Hölle mein Junge. Hallo Peter. Schön, dich zu sehen, mein Sohn. Da wird mir gleich noch wärmer ums Herz.
P: Hölle? Was machst du in der Hölle?
M: Die weitaus bessere Frage ist ja wohl: Wie bist du in die Hölle gekommen? Habe ich dich denn so schlecht erzogen?
P: Ich? Dann bin ich also wirklich tot? Wow, das ist…wow. Die Hölle also…das hätte ich echt nicht erwartet. Tja, die Geschichte dazu wird dir bestimmt nicht gefallen…
m: Sohnemann, hör auf so rum zu nuscheln. Und sieh mir in die Augen, wenn du etwas zu sagen hast. Warum bist du in der Hölle?
P: Das wird dich bestimmt wütend machen. Aber schlimmer kanns ja jetzt nicht mehr werden. Ich sags einfach gradeaus: Mama, ich bin konvertiert.
M: Was? Konvertiert? Du hast doch Geld bei deiner Konfirmation bekommen? Wir haben dich als Christ erzogen. Wieso solltest du konvertieren? Und zu was bitteschön?
P: Kannst du dich an Sybill erinnern? Sybill aus dem Kindergarten?
M: Sybill? Was hat die jetzt damit zu tun. War das nicht das komische Mädchen, das immer Heuschrecken zum Essen dabei hatte? Die Göre, die mir mal ein Bein gestellt hat, als ich dich vom Kindergarten abgeholt habe und die mir dann als Entschuldigung Heuschrecken angeboten hat? Heuschrecken-Sybill?
P: Ja genau die! Und die hab ich bei einem Klassentreffen wieder gesehen. Ich war total betrunken und dann hat sie mir erzählt, dass sie eine Heuschreckenfarm aufgemacht hat, und dass diese total rentiert, weil immer mehr Leute auf Insekten als Eiweisslieferant zurückgreifen. Ich habe zugehört und dann hat sie mir die Goldkettchen gezeigt, die sie sich von ihrem Lohn von der letzten Auslieferung gekauft hat. Und dann hab ich sie geküsst.
M: Fass dich kurz, Junge.
P: Schön: Wir haben uns verliebt, geheiratet, sind auf die Farm gezogen und ich bin jetzt Buddhist. Und reich.
M: Buddhist? Das ist ja wohl ein schlechter Scherz?!
Habt ihr wenigstens Kinder? Sag mir bitte, dass du nicht ohne Enkelkinder für mich gestorben bist.
P: Wir haben keine Kinder. Aber einen vegan ernährten Hund.
M: Was soll das denn sein? Du enttäuschst mich. Eine einzige große Enttäuschung bist du? Hast du denn irgendwas richtig gemacht im Leben? Irgendwas erreicht? Hattest du einen sinnvollen Tod?
P: Wie kann ein Tod denn sinnvoll sein?
M: Ein Märtyrertod wäre nicht schlecht. Oder ein tödlicher Sturz vom Baum, weil du die Katze retten wolltest. Sowas halt.
P: Wir haben einen Hund! Und Buddhisten sind friedfertige Menschen. Wir respektieren jede Religion und ihre Anhänger so wie sie sind. Woran ich gestorben bin?
M: Ja?
P: An einer allergischen Reaktion. Ich habe eine extrem starke Allergie gegen Heuschrecken entwickelt, so dass alle meine Glieder angeschwollen sind und habe dann einfach im Bett gewartet, dass die Schwellungen zurückgehen, aber das ist nicht passiert, und dann ist mein Kopf auch angeschwollen und schliesslich habe ich auch Eiterpickel bekommen.
M: Also bist du einfach im Bett verreckt, während du dir irgendwelche Filme reingezogen hast.
P: Mama! Ich bin gerade gestorben. Kannst du nicht einmal etwas mitfühlend sein? Außerdem hätte ich nie gedacht, dass es die Hölle überhaupt gibt, geschweige denn, dass ich da mit dir lande. Du machst mich ja richtig fertig. Ich wette, du bist deswegen hier.
M: Das hast du jetzt von deinem Buddhismus. Und von deiner Heuschrecken-Frau.
P: Jetzt sag endlich, warum bist du in der Hölle? Bist du Papa fremdgegangen? Ist voll okay, hätte ich auch getan.
M: Nein, ich bin Papa nicht fremd gegangen, zumindest nicht, seitdem wir verheiratet waren. Es ist nur ein kleines Missgeschick passiert, ein Faux-Pas, wenn schon.
P: Was meinst du?
M: Ich habe, man könnte so sagen, völlig ungewollt, also aus Versehen…unsere alte Nachbarin getötet.
P: Frau Wechsel? Warum hast du die denn getötet? Wir hatten doch weitaus schlimmere Nachbarn als die nette Alte. Die hat uns immer Lasagne vor die Tür gestellt.
M: Ausversehen, Peter! Die hat doch Pillen gegen Schlafprobleme gebraucht, und weil die alte Dame nicht mehr so mobil war, hab ich sie ihr immer besorgt. Aber mit zunehmendem Alter durfte sie nur noch Pillen für Kinder schlucken und ich habe diese mit den Benocten forte verwechselt.
P: Die hat sich also gar nicht selbst umgebracht?
M: Nein. Aber sie hätte ja auch selbst aufpassen können, was sie da schluckt.
P: Wo du Recht hast, hast du Recht. Deshalb dein seltsamer Tod. Und wir dachten all die Jahre, Herr Wechsel hätte einfach nur Alzheimer im Endstadium, als er dir auf der Gartenfeier laut “Rache” rufend eine Gartenschaufel auf den Kopf gedonnert hat.
M: Ja, das war auch kein sinnvoller Tod.
P: Vielleicht sollten wir uns einfach damit abfinden. Es kann nicht jeder im Leben ein Held sein. Ich hatte genug Zeit auf dem Sterbebett, um mich von allem zu verabschieden. Jetzt noch zurückzublicken deprimiert doch nur.
Sag mal, was kann man denn so in der Hölle machen?
M: Schwitzen.
P: Ist das alles?
M: Das ist hier auch nicht mehr als eine riesige Sauna. Was hast du erwartet von der Hölle?
P: Ich hab nie über die Hölle nachgedacht. ich sagte doch, ich bin Buddhist.
Sag das nicht zu laut. wenn das der alte Herr von oben hört, dann ergehts dir schlimm. der hat seinen eigenen Sohn ans Kreuz nageln lassen, weil er Jude war.
Mama, sogar ich weiss, dass das nicht ganz so war. Aber denkst du, es ist möglich, jetzt noch in den Himmel zu kommen? So einfach will ich mich mit der Sauna hier nicht zufriedengeben.
M: Quatsch. Du gewöhnst dich schon an die Hitze. Wirst sehen, so schlimm ist es gar nicht hier unten. Wir müssen wenigstens nicht den ganzen Tag Halleluja singen. Ausserdem kannst du hier viele Promis besuchen.
P: Also so “Sex, Drugs and Rock ‘N’ Roll” und so ein Scheiss?
M: Sei nicht albern, Rock ‘N’ Roll ist tot, wir hören Pop. Jung und schén sind wir auch alle nicht mehr, da vergeht einem der Spass. Drogen gibt’s aber.