Gruppentext V: Unten Versus Oben

Gruppengeschichte Stories

P1: Sie sah aus wie eines dieser Billig-Souvenirs mit einem Schneemann oder einer berühmten Stadt darin samt in Flüssigkeit eingelagerten Schneeflocken, die nach dem Schütteln der Kugel langsam herabrieseln, eben so, als würde es schneien. Verblüffend simpel und doch irgendwie faszinierend, jedenfalls beim ersten bis fünfzigsten Mal, antiproportional abhängig vom Alter der schüttelnden Person. Irgendwann fängt das Ding dann an, einen grässlich zu langweilen, man deponiert es in einem Regal und vergisst es. Jahre später entdeckt man das Souvenir dann vielleicht wieder, befreit es vom Staub und wägt ab, ob die daran geknüpfte Erinnerung es wert ist, die Kugel noch ein paar Jahre länger stehen zu lassen oder ob man sie gleich in den nächsten Mülleimer werfen soll. Genau so ein Ding war das.
Und dieses Ding barg augenscheinlich eine Menge Erinnerungen. Es befand sich keine Flüssigkeit mehr im Glas, die war wohl irgendwann verdunstet oder ausgelaufen, vermutlich durch das kleine Loch oben in der Kugel. Nur ein hoffnungsloser Nostalgiker würde so einen Müll behalten. Apropos… ich sah mich kurz um. Nein, noch immer keine Spur vom Professor.
Vorsichtig hob ich die Schneekugel hoch. Nicht einmal ein Schneemann war darin. Nur ein verschneites Häuschen zwischen dunkelgrünen Tännchen. Dafür aber erstaunlich detailgetreu. Mit zu Schlitzen verengten Augen sah ich mir die Landschaft genauer an. Irgendwas daran war komisch. Ob sich der Kunstschnee wohl immer noch bewegen liess? Gerade wollte ich es ausprobieren, als sich plötzlich zwischen den winzig kleinen Tannen eine winzig kleine Tür öffnete.

P2: Ich sehe ihn, den winzig kleinen Mann mit buntem Hut und dem Bart, der ihm bis zu seinen Füssen begleitet. Er kommt auf mich zu und ich beginne langsam seine Kleidung zu analysieren. Kurze schwarze Kniebundhosen mit seltsamen Eingravierungen, unpassend zu dem trägt er eine weisse Weste. Also ganz weiss ist die Weste dann doch nicht. Als der kleine Mann vor meiner Nase steht, erkenne ich so mancherlei braune Flecken, die für mich aussehen, wie wenn jemand ihn mit Erde beschossen hätte. Und weil er so winzig ist, musste ich meine Nase aus dem Blickfeld nehmen, um ihn anschauen zu können, während dem er spricht.”Du hast mein Haus verwüstet, weiss denn keiner mehr, dass Leute in Häusern wohnen?,” seine Stimme klingt piepsig, und dass er empört die winzigen Hände in die Seiten gestützt hat, hilft auch nicht gerade. Ich beginne zu lachen.

P3: Verdattert start mich der Gnom an. Ich krümme mich vor lachen.
“Ist das dein Ernst? Meine Lebensgrundlage zerstört und du lachst dich tot? Na warte Bürschchen, dir werd ichs zeigen!”
Er stapft hinüber zu der Stelle der Kugel, wo er meinem Gesicht am nächsten ist. Dann tritt er kräftig gegen die Scheibe, ein Knacken ertönt, und der Winzling springt jaulend auf einem Fuss durch die Gegend.
Ich japse nach Luft, Tränen rennen mir über die Wangen, während der drollige Gnom versucht, die Kuppel hinaufzuklettern, um zu dem Loch zu gelangen, was jedoch kläglich scheitert, sodass er mit seinem Hintern voran zurück in den Schnee fällt.
“Was geht hier vor?”
Hastig nehme ich eines meiner Putztücher und werfe es über die Kugel, in der gleichen Bewegung drehe ich mich zum Professor um, der gerade den Raum betreten hatte und mich misstrauisch anstarrte. Ich zwang mich zu einem Lächeln.
“Gar nichts, Professor. Ihr Büro ist gereinigt. Bis nächste Woche”
Ich stecke mir den Lappen mitsamt Schneekugel in die Seitentasche und dränge mich am Professor vorbei, der mir kopfschüttelnd nachsieht, während ich den Korridor hinunter zum Ausgang steige.

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